Arbeitsunfall in der einen oder in der anderen Schicht?

Nicht unbedingt erforderlich ist der „klassische Unfall“ als Einwirkung von außen. Auch wenn die Verletzung von einer bewussten Bewegung herrühre, könne eine Verletzung als Arbeitsunfall vorliegen. So war es bei Verletzungen des Nacharbeiters eines Automobilherstellers. So entschied das Sozialgericht Karlsruhe am 20. April 2017 (AZ: S 1 U 940/16), wie die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.

 

Arbeitsunfall aufgrund Fehl- und Überlastung

Die Berufsgenossenschaft erkannte Verletzungen des Arbeiters nicht als Arbeitsunfall an. Der Mann zog vor Gericht.

 

Er ist als Nacharbeiter bei einem Automobilhersteller beschäftigt. Seine Aufgabe ist es – gemeinsam mit einem Kollegen – unter anderem ungenau eingesetzte Vorder- oder Heckscheiben zu lösen und neu in das Fahrzeug einzusetzen. Dabei wird der Scheibenkleber mittels eines Schneidedrahts durchgetrennt. Dieser muss von innen und außen mit hoher Kraftanstrengung gezogen werden. Dabei müssen die Arbeiter auch nicht ergonomische Positionen einnehmen. Bei der Tätigkeit entstehen sehr hohe Zugkräfte, die zu einer starken und teilweise einseitigen Belastung des Schultergelenks und der Schultermuskulatur führen. Daher schafft ein Arbeiter pro Schicht normalerweise maximal vier Scheiben.

 

Am 13. und 14. August 2015 wurde der Mann in einem anderen Werk eingesetzt. Für eine Pressepräsentation sollten rund 25 Fahrzeuge instandgesetzt werden. Der Mann und ein Kollege mussten deshalb an beiden Tagen je Arbeitsschicht etwa acht Scheiben auswechseln. Am 15. August 2015 bemerkte der Mann, dass sein gesamter rechter Arm geschwollen war. Auch hatte er einen größeren blauen Fleck unterhalb des rechten Schultergelenks. Der Arzt diagnostizierte eine Ansatzriss des kleinen Brustmuskels und der Sehnen sowie eine Arm-Venen-Thrombose.

 

Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Es liege kein Unfall vor, da der Mann eine willentlich gesteuerte kontrollierte Körperbewegung ausgeführt habe.

 

Berufsgenossenschaft muss Arbeitsunfall anerkennen

Beim Sozialgericht setzte dieser sich jedoch mit anwaltlicher Hilfe durch. Das Sozialgericht in Karlsruhe verurteilte die Berufsgenossenschaft dazu anzuerkennen, dass der Mann entweder am 13. oder am 14. August 2015 einen Arbeitsunfall erlitten hatte.

 

Klar war, dass er an beiden Tagen einer versicherten Tätigkeit nachgegangen war. Wegen der Körperhaltung und der enormen aufzuwendenden Kräfte kam es zu einer teilweisen einseitigen Belastung des Schultergelenks und der Schultermuskulatur. Außerdem musste er statt der normalen vier an diesen Tagen jeweils acht Scheiben montieren. Er war damit nicht nur einer höheren quantitativen, sondern auch einer höheren qualitativen, mithin einer außergewöhnlichen Arbeitsbelastung ausgesetzt.

 

Wegen der ungewollten Einwirkung infolge einer Fehlbelastung oder eines sonstigen überraschenden Moments sei es unerheblich, dass die Bewegung bewusst gesteuert gewesen sei. Hier hätten sich die Zugbelastungen unmittelbar auf die Brustmuskulatur ausgewirkt und nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens zu dem Riss des kleinen Brustmuskels geführt.

Auch dass der Tag nicht genau benannt werden könne, spiele keine Rolle. Laut Bundessozialgericht müsse die Einwirkung zwar an einem bestimmten, jedoch nicht an einem kalendermäßig genau bestimmbaren Tag eingetreten sein. Aufgrund der erhöhten qualitativen und quantitativen Belastungen an beiden Tagen sei die Zugbelastung auf den Brustmuskel nach den Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen bereits bei einer Wiederholung der Arbeitsvorgänge je Arbeitsschicht zu hoch gewesen. Die Verletzung sei also in einer der Schichten erfolgt.

 

Quelle: www.dav-sozialrecht.de

 

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