Vorläufige Leistungen des Jobcenters oder Sozialhilfe?

Das Landessozialgericht in Essen hat in einem Eilverfahren ein Jobcenter verpflichtet, vorläufig Leistungen zu gewähren. Und zwar trotz Zweifeln an der Erwerbsfähigkeit des Betroffenen. Das Jobcenter darf nicht einfach an den Sozialhilfeträger verweisen. Über diesen Zusammenhang informiert die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Der Fall geht auf eine Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. Juni 2016 (AZ: L 9 SO 427/15 B ER) zurück.

 

Erwerbsunfähigkeit streitig – Hartz-IV oder Sozialhilfe

Der 1976 geborene Mann ist Italiener und lebt schon seit vielen Jahren in Deutschland. Er ist Inhaber eines Daueraufenthaltsrechts und damit grundsätzlich berechtigt, Grundsicherung für Arbeitsuchende ("Hartz IV") zu erhalten. Seinen eigenen Lebensunterhalt kann er nicht bestreiten.

 

Also beantragte er beim Jobcenter Herne Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Das Jobcenter zog aber ein arbeitsmedizinisches Gutachten der Agentur für Arbeit bei. Darin stand, dass der Mann nicht erwerbsfähig sei. Das Jobcenter fühlte sich nicht zuständig und verwies den Mann auf die Stadt Herne. Diese sei als Sozialhilfeträger für nicht erwerbsfähige Personen zuständig. Aber auch dort erhielt der Mann keine existenzsichernden Leistungen.

 

Zuständigkeitsstreit zwischen Behörden – Jobcenter muss Existenz sichern

Das Vorgehen des Jobcenters sei klar rechtswidrig, so die Essener Richter. Wenn sich zwei Behörden über die Zuständigkeit stritten, der Betroffene aber in jedem Fall einen Anspruch habe, dürfe er nicht leer ausgehen. Es gehe schließlich um die Existenzsicherung.

 

Es stimme zwar, dass man Hartz-IV nur erhalte, wenn man arbeiten könnte, also erwerbsfähig sei. Bis zur Feststellung der Erwerbsunfähigkeit müsse das Jobcenter jedoch vorläufig Leistungen zahlen. Durch diese gesetzliche Verpflichtung solle verhindert werden, dass ein Betroffener bei fraglicher Erwerbsfähigkeit zwischen die Stühle gerate und gar keine Leistungen, weder vom Jobcenter noch vom Sozialamt, erhalte.

 

Das Gericht sah das Jobcenter in der Pflicht. Es dürfe nicht von fehlender Erwerbsfähigkeit ausgehen, ohne zuvor den Sozialhilfeträger eingeschaltet zu haben. Beide müssten vertrauensvoll zusammenarbeiten. So müsse das Jobcenter dem Sozialhilfeträger das Gutachten übermitteln, anfragen, wie dieser die Erwerbsfähigkeit beurteile und eventuell eine angemessene Frist zur abschließenden Äußerung setzen.

 

Erst nach Ablauf der Frist ohne Äußerung des Sozialhilfeträgers, sei das Jobcenter berechtigt, "Hartz IV" zu verweigern und den Betroffenen auf das Sozialamt zu verweisen. Im Zweifel sei das Jobcenter entsprechend den gesetzlichen Vorgaben verpflichtet, ein Gutachten des Rentenversicherungsträgers einzuholen, der über die Erwerbsfähigkeit abschließend entscheidet.

 

Da ein solches Verfahren nicht stattgefunden habe, sei das Jobcenter zur Zahlung verpflichtet. Wäre es durchgeführt worden und hätte der Sozialhilfeträger nicht reagiert, wäre er wohl vom Gericht verpflichtet worden.

 

Dieser Fall zeigt, dass man seine Ansprüche auch gegen Ämter erfolgreich durchsetzen kann – aber nur mit Hilfe von Sozialrechtsanwälten. Gerade bei Fragen rund um die Existenz ist Eile geboten, daher sollte man frühzeitig einen DAV-Sozialrechtsanwalt kontaktieren. Diesen in der Nähe findet man in der Anwaltssuche.

Angst vor den Kosten muss man nicht haben. In solchen Fällen hat man meist Anspruch auf Beratungs- oder Verfahrenskostenhilfe.

 

Quelle: www.dav-sozialrecht.de

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